Osaíra Schattentod
Schwarzes Omen
Part 1 - Skalgift
"Mein Name ist Osaíra. Du stirbst durch meine Klinge und den Willen deiner Götter." Vorsichtig zog die Assassine die prunkvoll gearbeitete Seidendecke über den Fuß des Schlafenden und verdeckte damit den feinen Schnitt unterhalb des Knöchels, welchen ihre Waffe hinterlassen hatte. Osaíra war eine Meisterin ihrer Kunst und diesen kleinen harmlosen Schnitt würde niemand bemerken oder als verdächtig erachten. Jedoch reichte er aus, um das Gift der Klinge langsam in den Körper des Opfers eindringen zu lassen. Vorsichtig erhob sie sich und machte sich geräuschlos auf den Weg durch den großen Schlafsaal. Doch kurz bevor sie die schweren Vorhänge erreichte, hinter welchen sie über den Balkon entfliehen konnte, hörte sie Schritte welche sich der Tür näherten. Schnell drückte sie sich in den dunklen Schatten einer Wandnische. Die Tür wurde einen Spalt breit geöffnet und das flackernde Licht einer Laterne erhellte einen Teil des Raumes. "Der Alte schnarcht friedlich vor sich hin, wie immer!" stellte die Wache fest und bemühte sich nicht sonderlich die Tür leise zu schließen, was den schlafenden kurz zusammenzucken ließ und ihm ein seltsames grunzen entlockte. Doch er schlief weiter. Osaíra wartete noch einige Sekunden ab, bis die Schritte des Wachpostens auf dem Gang verklungen waren. Erst dann setzte sie ihren Weg fort und schritt auf den Balkon um von dort aus in die Dunkelheit der Nacht zu entschwinden.
Romént Da Reys war ein wohlhabender und angesehener Mann. Er hatte sich als Teilhaber der Handelsgesellschaft in Löwenstein eine goldene Nase verdient und genoss das Vertrauen der Königin Krytas, was seinem Einfluss in politischen Angelegenheiten zugutekam. Jedoch brachte Reichtum und Macht stets Neider mit sich, welche üble Gerüchte streuten und anklingen ließen, er wäre in Schmuggelei und Sklavenhandel verwickelt. Vergnügt war der wohlgenährte Händler damit beschäftigt seine Lieblingsbüste in der Vitrine in seinem Büro zu begutachten. Diese zeigte aus feinstem Marmor geschliffen natürlich niemand geringeren als ihn selbst. Als plötzlich eine Stimme hinter ihm erklang zuckte er zusammen und drehte sich zögerlich um. An seinen Schreibtisch gelehnt stand eine junge Frau, augenscheinlich elonischer Herkunft. Sie war von eher kleiner, doch athletischer Statur. Sie trug eine leichte, äußerst freizügig geschnittene Lederrüstung, welche durch Schwarz und verschiedene Blautöne Bestimmt wurde. In Kombination mit den, zu Seitenzöpfen gebundenen Meeresblauen Haaren, und den dunkel geschminkten Augenrändern, umgab sich die Assassine mit einer geheimnisvollen und exotisch wirkenden Aura. "Osaíra, welch eine Freude!" eröffnete der Händler mit übertriebener Geste. -"Spart euch die Floskeln Da Reys. Ich bin hier um meinen Sold abzuholen." -"Aber natürlich." Erwiderte er in deutlich sachlicherem Tonfall. "Mit Freuden erhielt ich Nachricht vom Dahinscheiden meines Konkurrenten. Wie ich hörte soll der gute Tuvus bei seinem morgendlichen Bad im See einen Krampf erlitten haben und sei ertrunken. Ein wahrlich tragischer Unfall." betonte der Händler mit einem verschwörerischen Grinsen. -"Also? …ich bitte um meine Bezahlung!" wiederholte Osaíra. -"Natürlich." entgegnete Romént zögerlich und begann in seinen weiten, reich verzierten Gewändern zu nesteln. Schließlich zog er einen kleinen purpurfarbenen Samtbeutel hervor und warf ihn der Frau zu, welche den Beutel geschickt mit einer Hand auffing und abschätzend in der Hand wog. Ihr blick ruhte dabei starr auf dem Händler. "Wir hatten fünfhundert mehr ausgemacht!" sagte sie bestimmt. Nervös leckte sich Romént über die Lippen. Er zwang sich zu einem lockeren lächeln und sagte in schmeichelndem Tonfall: "Osaíra, meine liebe, in dem Beutel befinden sich Edelsteine im Wert von 2500 Gold, ich habe sie selbst abgezählt!" beteuerte er. "Wie kommt ihr zu der Annahme ich könnte euch jemals betrügen wollen?" -"Euer schiefes Grinsen und eure Nervosität spricht Bände Reys! Wisst ihr eigentlich wie euer Kontrahent das zeitliche gesegnet hat?" fragte Osaíra mit betont beiläufigem Tonfall und begann an den Vitrinen vorbei zu tigern wie eine Raubkatze. "Er fand seinen Tod durch ein seltenes Gift. Es stammt von einer bestimmten Skalart, welche nur im fernen Elona heimisch ist." Osaíra zog einen ihrer Dolche aus dem Halfter und begutachtete die leicht grünlich schimmernde Klinge. Beim Anblick des Dolches musste der Händler schlucken. "Schon eine kleine Menge des Giftes genügt um die Organe des Opfers langsam versteinern zu lassen… Stück für Stück, bis das Herz still steht. Ein langsamer, unaufhaltsamer Tod." erklärte sie ruhig und in ihrer Stimme lag der feine Hauch einer Drohung. -"Nun gut, ich bin sicher wir werden uns einig!" bemühte sich Romént und fischte ungelenk nach einem weiteren Beutelchen, welches die Assassine im Vorbeigehen aus seiner zitternden Hand entnahm. "Die Freude liegt ganz bei mir!" Raunte sie ihm ins Ohr und verschwand ohne weitere Worte aus dem Raum.